6,2 Mio. Euro Unterstützung für Opfer von Leid und Unrecht

„Das Symposium vom 28./29. November 2018 hier im Landtag hat uns in bedrückendster Form die Augen geöffnet, was Kinder und Jugendliche in Heimen und Einrichtungen erlitten haben. Für uns war klar: Dies muss mit allen noch verfügbaren Möglichkeiten aufgearbeitet werden. Ich möchte noch einmal denjenigen besonders danken, die den Mut und die Kraft hatten, über das Schlimme zu berichten. Und ich möchte Minister Dr. Heiner Garg danken, sich gemeinsam mit dem Sozialausschuss und den Betroffenen auf den Weg der Aufarbeitung gemacht zu haben.

Die wissenschaftliche Aufarbeitung von Prof. Cornelius Borck und seinem Team – wir haben im Januar 2021 im Sozialausschuss über die bisherigen Ergebnisse beraten – macht deutlich: Dass, was uns geschildert wurde, ist wahr. Verstöße gegen die Menschenwürde, Medikamentenmissbrauch und Medikamentenerprobung, Gewalt, eine systematische Herabwürdigung der Persönlichkeit und das Absprechen der Bildungsfähigkeit waren in einem Teil der Heime und Einrichtungen bitterer Alltag.

Dass mehr Aufarbeitung zumindest auch im Nachhinein möglich ist, ist inzwischen belegt. Ich danke Prof. Borck und seinem Team für die herausragende Arbeit. Es ist zu wünschen, dass dieser Weg auch in anderen Bundesländern gegangen wird. Das sind wir den Opfern schuldig, denen die Kindheit und Jugend geraubt und oft schwerer Schaden für das gesamte Leben zugefügt wurde.

Über die tatsächlichen Verhältnisse auf dem Heesterberg in Schleswig wie in anderen Einrichtungen bis Ende der 60er Jahre kann es keine Zweifel mehr geben. Erst seit Anfang der 70er Jahre, als die Verantwortung für die Aufsicht ins Sozialministerium gewechselt war, sind deutliche Veränderungen erkennbar. Dass den gedemütigten jungen Menschen lange Zeit nicht oder nicht ausreichend geglaubt wurde, tat ihnen zudem sehr weh.

Mit den Unterstützungsleistungen für von Leid und Unrecht Betroffene (DS 19/2795) in Höhe von 6,2 Mio. Euro – je nach Inanspruchnahme bis 2030 gestaffelt – soll jenen geholfen werden, die aus dem Fonds Heimerziehung oder der Stiftung Anerkennung und Hilfe wegen des Versäumnisses der Antrags- und Anmeldefrist bislang keine Anerkennungsleistungen erhalten haben. Es sind Betroffene, die bis 1975 in Einrichtungen der Behindertenhilfe und Kinder- und Jugendpsychiatrien des Landes untergebracht waren. Wir appellieren an die betroffenen Unternehmen der Pharma-Industrie wie frühere Träger von Einrichtungen, sich ihrer Verantwortung -auch finanziell- zu stellen.

Wir sprechen uns dafür aus, dass die Arbeit der Anlauf- und Beratungsstelle in Schleswig-Holstein der Stiftung Anerkennung und Hilfe solange wie nötig fortgesetzt wird. Auch dies ist ein wichtiger Punkt. Dank gebührt Frau Christiansen und Frau Toelch für ihre sehr engagierte Arbeit. Die notwendigen Finanzmittel stehen bereit, der Opferhilfefonds ist im Landeshaushalt mit insgesamt 7,5 Mio. Euro hinterlegt.

Die wissenschaftliche Aufarbeitung erfolgt in Schleswig-Holstein nicht nur bis 1975, sondern inzwischen bis 1990. Mögen andere Bundesländer diesem Weg folgen.

Verlängerung der Frist bei der Stiftung Anerkennung und Hilfe ist eine sehr gute Entscheidung

Als eine „sehr gute Entscheidung“ hat der CDU-Sozialpolitiker Werner Kalinka den Beschluss des Kabinetts bezeichnet, der Verlängerung der Anmeldefrist der Stiftung Anerkennung und Hilfe bis zum 30. Juni 2021 zuzustimmen. Dadurch können Leistungen länger, spätestens bis zum Jahr 2023, ausgezahlt werden.

Kalinka: „Damit wird für Antragsteller Zeitdruck genommen und ein sichtbares Zeichen gesetzt, dass möglichst viele Betroffene die Möglichkeit nutzen sollten, Leistungen bei der Stiftung Anerkennung und Hilfe zu beantragen. Dies haben wir uns gewünscht. Die Corona-Situation ist auch für sie besonders belastend. Auch deshalb ist die Verlängerung der Frist ein wichtiges Signal.“

Wir ziehen Folgerungen aus dem Symposium

„Die zutiefst erschütternden Berichte über schwerste Verfehlungen in den 50er Jahren bis Anfang der 70er Jahre in Schleswig-Holstein, wie sie uns beim Symposium im Landeshaus am 28./29. November 2018 geschildert wurden, haben sehr dazu beigetragen, dass wir im Sozialausschuss in der gestrigen Sitzung vom 11. Januar 2019 bereits zu wichtigen Fragen eine klare Positionierung vorgenommen haben“, so der Landtagsabgeordnete Werner Kalinka.

Es sei zwingend, alle Möglichkeiten der Aufarbeitung zu nutzen und fortzusetzen. Nicht nur der Medikamentenmissbrauch, auch Gewalt, Erziehungsmethoden und sexuelle Übergriffe wie deren Folgen müssten aufgearbeitet werden. Dies gelte auch für die rechtliche Aufarbeitung. Der Staat sei Garant für Menschenwürde. Diese sei verletzt worden, so Kalinka.

In der einstimmig verabschiedeten Resolution wird die Erwartung geäußert, „Wege zu finden, bei Alter, Krankheit, Pflege oder anderer Unterstützungsbedürftigkeit geeignete Hilfestellungen zu geben“. Der Abgeordnete: „Viele Opfer haben es schwer, und dies war schon ihr ganzes Leben lang so. Wir können das Geschehene nicht rückgängig machen, wir wollen aber zuhören, das Gespräch führen und nach Wegen suchen, Versäumtes nachzuholen.“

Die Stiftung Anerkennung und Hilfe hat in Schleswig-Holstein bislang 377 Bewilligungen ausgesprochen. Es wurden an die Opfer bislang insgesamt 4, 04 Mio. Euro gezahlt.