Welche Politiker wollen wir?

CDU, FDP und SPD schlagen ein Wahlrecht mit der Landtagsgröße von 69 Abgeordneten vor – in dieser Größe das zweitkleinste Parlament der Republik (Durchschnitt: 108,7). Der Vorschlag zu einem wenigstens hälftigen Verhältnis von Direkt- und Listenmandaten ist Normalzustand im Bund und den meisten Ländern. Mit dem Vollausgleich von Überhangmandaten wird dem Wunsch der kleinen Parteien entsprochen. Nichts daran ist ungewöhnlich.

Dramatisch aber die Schlagzeilen nach der Wahlrechtsanhörung vom vergangenen Mittwoch, z.B.: „Ein Landtag mit bis zu 140 Sitzen?“. Anwalt Dr. Mecklenburg hatte diese unwahrscheinliche Folge in den Raum gestellt; er klagte übrigens für Grüne und SSW vor dem Verfassungsgericht. Die Berichterstattung über die (ganztägige) Anhörung wurde zum Scherbengericht. Vielleicht auch, weil viele Journalisten schon nach zwei Stunden gegangen waren.

Die Experten-Anhörungen ergaben ein sehr viel differenzierteres Bild. So ist klar, dass der Vorschlag der Grünen mit einer Reduzierung auf 27 Wahlkreise auch zu bis zu 100 Mandaten führen könnte. Die Rückkehr zum Einstimmenwahlrecht wäre die wirkungsvollste Möglichkeit, Überhangmandate zu begrenzen. Bis in die 90er Jahre wurde der Landtag so gewählt. Die CDU konnte sich mit dem Einstimmenwahlrecht in den Verhandlungen der letzten Monate zwischen den Fraktionen jedoch nicht durchsetzen. Warum? Ohne Kompromissbereitschaft ist angesichts der Zusammensetzung des Landtags und der Eckpunkte des Landesverfassungsgerichts kein Wahlrecht verabschiedungsfähig.

In den Hintergrund getreten sind Wesen und Wert der Demokratie: In letzten 15 Monaten hatten die Abgeordneten 1277 Drucksachen und 1894 Umdrucke zu bearbeiten, teils 100 Seiten stark. Dazu viele Wahlkreis- und Sitzungstermine. Wer als Abgeordneter ordentlich arbeitet, hat meist eine 70-Stunden-Woche. Am Ringen um den Landeshaushalt (2161 Seiten) war zu sehen, was echte parlamentarische Kontrolle bedeutet. Diese Arbeit gibt es nicht umsonst. Ein „Landtag light“ kann dies nicht leisten.

Wer meint, die staatspolitische Richtschnur seien möglichst wenig Abgeordnete, läuft Gefahr, zu ernten, was er sät: Politiker, die keine Zeit für die Sorgen der Bürger haben.

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