Vor 38 Jahren begann das dramatische Wochenende in Genf, dass mit dem Tod des früheren Ministerpräsidenten Dr. Uwe Barschel endete. Er wurde am 11. Oktober 1987 gegen 13.30 Uhr tot in der Badewanne des Zimmers 317 im Hotel Beau-Rivage gefunden. 1994 kam der mit Untersuchungen beauftragte höchst renommierte Wissenschaftler Prof. Hans Brandenberger zu dem Ergebnis, dass Barschel sich nicht selbst habe umbringen können, da er durch ein Gift schon bewusstlos gewesen sei, bevor weitere Mittel seinem Körper zugeführt wurden. Schon zuvor waren große Fehler bei der Spurensicherung am Tatort und Einwirkungen auf den Körper bekannt geworden. Die These vom Selbstmord geriet immer stärker ins Wanken. In meinem Buch „Der Fall B. – Der Tod, der kein Mord sein darf“ hatte ich 1992 bereits wichtige Hinweise veröffentlicht. Sie haben sich seither immer mehr erhärtet, wie zum Beispiel die fremden an Kleidungsstücken von Barschel gefundenen DNA-Funde 2012. Ich hatte diese Untersuchung gefordert. 1997 hatte die Staatsanwaltschaft Lübeck das Todesermittlungsverfahren eingestellt, weil sie zwar von Mord ausgehe, aber keinen Täter habe ausmachen können.
Dr. Uwe Barschel
Barschel-Tod: Die Indizien sprechen eine klare Sprache
Ohne meine Forderung nach einer DNA-Untersuchung an der Kleidung von Dr. Uwe Barschel wüssten wir bis heute nicht, dass es fremde DNA bei ihm gab. Das Ergebnis machte schon 2012 Schlagzeilen: Fremde DNA wurde gefunden. Wo fremde DNA ist, muss mindestens eine 2. Person sein. Eine Stichstelle im Magen, die normalerweise von einem Schlauch stammt, Hämatome, die in Genf weggeschminkt wurden, fremde Substanzen in Flasche, Glas, Schuh und Matte im Zimmer 317 des Beau-Rivage in Genf, in dem Barschel am 11. Oktober 1987 starb, Bilder, die nichts wurden, diverse Ermittlungsdefizite – sie vermitteln ein klares Bild. Und so beendete auch die Lübecker Staatsanwaltschaft 1997 / 1998 ihre Ermittlungen mit dem Ergebnis, dass es Mord sei. Ermittlungen übrigens, die nicht frei von Hemmnissen, Druck und dem Vorenthalten von Informationen waren.
Barschel-Affäre: Ein einseitiges Bild 1987
Nachdem er seit dem Vortag der Landtagswahl am 12. September 1987 mit den Vorwürfen konfrontiert worden war (der NDR unterbrach sein Programm, um die Pfeiffer-, SPD- und SPIEGEL-Darstellungen spektakulär zu verbreiten) und als Ministerpräsident Ende September 1987 („Weil das Wohl das Landes meinen Rücktritt gebietet“) zurückgetreten war, wurde es schnell politisch einsam um ihn: Dr. Uwe Barschel.
So ist es oft, wenn auch nicht immer in der Politik: Wer oben steht, hat viele Freunde, wer fällt, weniger oder kaum noch welche.
Aber er war alles andere als verzweifelt, sondern durchaus kämpferisch. Ich habe mit einer Reihe von Menschen gesprochen, die ihn damals erlebt haben. Wovon wir seinerzeit nichts hörten, war das Wissen führender SPD-Politiker über die Kontakte ihres Pressesprechers Klaus Nilius mit Reiner Pfeiffer mindestens seit Juli 1987 und die Unglaubwürdigkeit diverser Pfeiffer-Behauptungen. Und: Dass es auch aus Schleswig-Holstein Komponenten in die internationale Politik der Waffengeschäfte gab. Und: Dass Behörden aus dem Sicherheitsbereich über mehr Informationen verfügten, als sie zu erkennen gaben. Der 2. Untersuchungsausschuss im Landeshaus (Schubladen-Ausschuss. 1994 – 96) korrigierte das einseitig negative des ersten über Barschel, Gerichte und Staatsanwaltschaften desgleichen.
Erinnerung an Uwe Barschel
Dr. Uwe Barschel wäre heute 80 Jahre alt geworden. Er war von 1982 – 87 Ministerpräsident in Schleswig-Holstein und starb mit 43 Jahren. Die Affäre und sein Tod am 11. Okt. 1987 sind immer noch nicht vollständig aufgeklärt. Akten sind gesperrt, z.T. für viele Jahre. In Archiven von Geheimdiensten und Behörden gibt es Interessantes. Barschel kam in Genf durch Fremdeinwirkung mit giftigen Substanzen zu Tode. An seinem Körper waren Spuren äußerer Gewalt. In Genf wurde schlecht ermittelt. Deutsche Beamte waren schon am Tag nach dem Tod dort. Ihre Berichte belegen keinen Selbstmord. Zu wenig beleuchtet wurde bislang der Flugzeugabsturz am 31. Mai 1987 in Lübeck-Blankensee. Im Laufe der am Tag vor der Landtagswahl vom 13. Sept. 1987 medienwirksam „gezündeten“ Affäre logen führende SPD-Politiker. Pfeiffer erhielt Geld, obwohl er nicht bedürftig war und bekam ein stattliches Honorar zudem dafür, dass er „sein Wissen“ Medien offenbarte. Noch ist nicht alles bekannt, was zur Beurteilung der Geschehnisse wichtig ist. Aber es kann noch etwas kommen.
Sehr empfehlenswert: „Zeitreise“ von Stefan Aust
Diese Woche habe ich – zum Teil bis in die Nacht, weil so spannend – das Buch „Zeitreise“ von Stefan Aust gelesen. Sehr empfehlenswert. Der frühere langjährige SPIEGEL-Chefredakteur und heutige Herausgeber der WELT, inzwischen 75 Jahre alt, lässt uns an seinem Wissen, Bewertungen und manchen verschlungenen Recherche-Pfaden zu wichtigen Ereignissen der Zeit seines langen journalistischen Lebens teilhaben. Z.B. über die RAF, ihre geheimen Aufenthalte in der DDR, über die Einheit, die Suche nach dem Bernsteinzimmer, viele Ereignisse im Ausland, Machtkämpfe im SPIEGEL, sein Verhältnis zu Rudolf Augstein, die Medienwelt … und die Affäre 1987, dem Barschel-Komplex. Wir haben uns zu Letzterem übrigens in den 90er Jahren ausgetauscht. Erfolg im Journalismus und als Buchautor ist harte Arbeit – Stefan Aust zeigt dies eindrucksvoll. Es begann mit einer Schülerzeitung, Konkret und Panorama folgten. Und wir lernen den privaten Stefan Aust kennen, Kindheit und Jugendzeit, aber auch den Pferdefreund, der zwar später viel in der Stadt lebt, aber auch das Landleben weiter schätzt.

Barschel: Das Haar hätte Klarheit gebracht
1988 machte die Stadtpolizei Zürich, die im Auftrag der Genfer Behörden Asservate untersuchte, eine bedeutsame Feststellung. Das Haar, das auf dem Bett des von Uwe Barschel benutzten Zimmers 317 gefunden worden war, stammte nicht von ihm. Nur Insidern war dies bekannt. Im Februar 1995 holten zwei Kriminalbeamte aus S-H diverse Asservate im Auftrag der Lübecker Staatsanwaltschaft aus Genf ab, auch das Haar. 2010 schlug ich eine DNA-Untersuchung vor. Ein Abgleich mit den Haaren des Zimmermädchen hätte Klarheit geschaffen, ob es von ihr stammte. Es ist wohl wenig wahrscheinlich, dass auf einem Bett der Klasse des Beau-Rivage ein fremdes Haar liegt. Dann platzte die Bombe: Das Haar war verschwunden. Es wurde (bislang) nicht wieder gefunden. Ein weitere Unerklärlichkeit bei den Ermittlungen im Fall Barschel. Dass DNA-Untersuchungen auch im Fall Barschel etwas bringen, wie von mir vermutet, stellte sich heraus: Auf Kleidungsstücken von ihm wie einem Socken wurde fremde DNA nachweisbar gefunden. Übrigens: Ein anderer Socken von Uwe Barschel wird immer noch vermisst.

Uwe Barschel: Verletzungen am Körper, Merkwürdigkeiten im Zimmer 317, die Leiche wurde in Genf geschminkt
Beim toten Uwe Barschel wurden Verletzungen an verschiedenen Stellen festgestellt. Frische Blutungen im Mageninneren, ein Hämatom am Kopf, Veränderungen an der Haut, Blutreste im Bereich der Nase. In Genf wurde die Leiche an bestimmten Stellen geschminkt. Später wurden auch dort Veränderungen in der Haut festgestellt. Die Rotweinflasche, die er sich am Vorabend gegen 18.30 Uhr mit zwei Gläsern bringen ließ, wurde nie gefunden. Sie wurde also entsorgt. Aus der Minibar wurde das Fläschen „Jack Daniels“ entnommen, es war leer. Allerdings nicht ganz, wie erst viel später festgestellt wurde: Es fand sich eine der Substanzen, die in Barschels Körper eingeführt worden waren. Und dann sind da zum Beispiel noch das demolierte Weinglas und der abgerissene Knopf des Hemdes.
Barschel: Warum war das Hotelzimmer nicht verschlossen?
Wenn jemand in einem Hotelzimmer übernachtet, ist es wohl die Regel, nachts die Tür abzuschließen. Warum war dies in der Todesnacht im Zimmer 317 des Hotels in Genf nicht der Fall? Dies ist bereits die erste wichtige Frage. Bei den Ermittlungen hat dies allerdings wenig Beachtung gefunden. Anmerkung: Zum Verschließen der Tür war im Hotel der Schlüssel nötig, es geht also nur von innen, wenn der Schlüssel auch innen steckt. Und: Wollte Uwe Barschel Selbstmord begehen, wäre es doch das Mindeste gewesen, die Tür zu verschließen, um nicht vorzeitig gefunden zu werden. Er war mit seinem Namen eingetragen, also erreichbar. Beweis: Der Fotograf, der ihn am Samstagnachmittag am Flughafen erwartete, fand danach schnell durch einen Anruf im Beau-Rivage heraus, dass Barschel dort ein Zimmer bezogen hatte.

Der BND und die Barschel-Affäre
Wissen wir schon alles über die Affäre von 1987? Nein. Die „Kieler Nachrichten“ lenken den Blick heute (23. Jan. 2021) auf die Frage, welche Akten es beim BND gibt. Berechtigt. Ich habe den KN geantwortet: „Mein Empfinden ist, dass trotz aller Antworten und Auskünfte der BND noch immer blockt.“ 1994 gab der BND Infos an die Lübecker Staatsanwaltschaft. Sie hatte bereits am 12. Okt. 1987 Ermittlungen zum Tod von Uwe Barschel in Genf aufgenommen, die dann langsam „einschliefen“, offiziell aber nicht eingestellt wurden. Ab Ende 1994 wurde die Staatsanwaltschaft wieder intensiv tätig. Beim BND gibt es Akten, die in etwa die Zeit zwischen 1990 und 1996 betreffen. Nicht uninteressant. Gibt es im BND-Archiv noch mehr geheime Akten? Es dürfte sich lohnen, dies zu klären.
Und noch ein paar Eindrücke aus 50 Jahren
Über die vielen Reaktionen auf 50 Jahre freue ich mich sehr und habe deshalb gestern abend noch ein paar Bilder ausgesucht. Eine Auswahl, ohne Wertung: Auf der Gorch Fock, Übergabe der Erntekrone im Kreishaus, Gespräch mit Eckhard Jensen, mit MP Peter Harry Carstensen, Hans-Helmut Lucht und Karin Nickenig in Laboe, Termine mit MP Dr. Gerhard Stoltenberg, Feier im Zelt zur Fusion Schwentinental, dem Besuch des MP Uwe Barschel im Kreis Plön, Gespräche mit Karl Eigen, Günter Flessner und Rudolf Titzck, Wolf-Peter Krause und Volker Pawlitzki, Dr. Theo Waigel (die JU Bayern und S-H waren in den 70er Jahren gute Freunde), Helmut Kohl, Franz-Josef Strauß und Prof. Karl Carstens. Zudem der Besuch der CDU-Landtagsfraktion vor etwa 40 Jahren bei der CSU in Bayern.
























